Kostenvergleich Einheitspatent (EPeW) und EP-Patent (EP)

„Die derzeitige Struktur der Jahresgebühren, die das EPA für das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung [EPeW, Einheitspatent] festgelegt hat, soll den Kosten für die Aufrechterhaltung der Validierung europäischer Patente“ in DE, UK, FR und NL „entsprechen – den vier EU-Ländern, in denen (vor dem Aistritt des Vereinigten Königreichs) europäische Patente am häufigsten von Patentanmeldern validiert wurden.“

„In den ersten zehn Jahren belaufen sich die Kosten für die Verlängerung eines Europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung [EPeW] auf insgesamt 4.685 EUR, während die Aufrechterhaltung des Patents über die gesamte Laufzeit von 20 Jahren 35.555 EUR beträgt. Im Vergleich dazu würden sich die gesamten Verlängerungsgebühren, die in den am Europäischen Patent mit einheitlicher Wirkung [EPeW] teilnehmenden Ländern […im Juni 2015 waren es 25] zu zahlen sind, für die gesamten 20 Jahre auf fast 160.000 EUR summieren.

Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Jahresgebühren um 15% gesenkt werden können, wenn der Inhaber des EPeW eine Erklärung einreicht, in der er erklärt, dass das Patent lizensierbar ist.“

Dennoch müssen oft trotz EPeW oft weitere Staaten klassisch national validiert werden, beispielsweise Spanien, Polen und Kroatien, was den Kostenvorteil umkehren könnte, insbesondere, falls das Schutzrecht nicht über die ganzen 20 Jahre aufrecht erhalten werden soll.

„Ausweislich der Statistiken für Validierungen klassischer Europäischer Patente validieren die meisten Anmelder in DE, FR und GB. Das dürfte regelmäßig sogar deutlich geringere Gebühren verursachen, als das EPeW, insbesondere auch weil GB nicht mehr vom EPeW umfasst ist und daher ohnehin auch weiterhin eigenständig Gebühren verursacht.“

…Zu den Gerichtsgebühren in einem späteren Eintrag…

Quelle: Mitteilungen der deutschen Patentanwälte, 114. Jahrgang, Heft 6, Juni 2023, S. 253 ff.

Strenge Anforderungen an die Einfügung erst in 2. Instanz recherchierten Stands der Technik in das Berufungsverfahren

BGH, Urt 15.07.2021 – X ZR 60/19 (BPatG)

Zwei Grundsätze aus der Entscheidung:

Rn 97: Nach der Rechtsprechung des Senats darf eine Entgegenhaltung, auf die der Kläger erst in zweiter Instanz aufmerksam geworden ist, gemäß… nur dann berücksichtigt werden, wenn der Kläger darlegt und erforderlichenfalls glaubhaft macht, warum eine Recherche, die das Dokument zutage gefördert hätte, in erster Instanz (noch) nicht veranlasst war. Hierzu muss der Kläger konkret dartun, wie er das Suchprofil seiner erstinstanzlichen Recherche angelegt und warum er ein solches Profil gewählt hat und nicht dasjenige, das zur Ermittlung des in zweiter Instanz neu angeführten Stands der Technik geführt hat.

Rn 102: Darzulegen ist, warum eine Recherche auch bei sorgfältiger Prozessführung in erster Instanz (noch) nicht veranlasst war.

Quelle: Mitteilungen der deutschen Patentanwälte, Heft 5/2023, Seite 225

BGH zum (Nichtigkeits-)Klagehindernis nach abgeschlossenem rechtskräftigen Einspruch

BGH, 06.12.22, X ZR 47/22 – Aminopyridin

„2. Das Klagehindernis [§81(2)S1 PatG] fällt weg, wenn das Europäische Patentamt entschieden hat, dass das Patent mit einer geänderten Fassung seiner Ansprüche aufrechterhalten wird, und diese Entscheidung nicht mehr angefochten werden kann.

3. In dieser Konstellation ist eine Nichtigkeitsklage nur noch insoweit zulässig, als sie darauf gerichtet ist, den Rechtsbestand des Patents in weitergehendem Umfang zu beseitigen, als dies nach der bindenden Entscheidung des Europäischen Patentamts zu erwarten ist. „

Quelle CIPRepost 1/2023, Seite 15, Leitsätze der Entscheidung

BGH zur Erschöpfung bei „convenant not to sue“

BGH 24.01.23 – X ZR 123/20 – OLG Karlsruhe:
Lizenz vs. convenant not to sue:

Bei Erzeugnissen, die durch Dritte in Verkehr gebracht werden, setzt der Eintritt der Erschöpfungswirkung nicht zwingend voraus, dass dem Dritten eine wirksame Lizenz erteilt worden ist. […] (Rn46)
Deshalb haben Beschränkungen, die ein Patentinhaber in einem Lizenzvertrag hinsichtlich der Befugnis zur Benutzung von Erzeugnissen vereinbart, die aufgrund der Lizenz in Verkehr gebracht werden, grundsätzlich keinen Einfluss auf den Eintritt der Erschöpfungswirkung. (Rn47)

[Es] führt ein convenant not to sue in der Regel zur Erschöpfung der Rechte im Hinblick auf Erzeugnisse, die auf dieser Grundlage [Vereinbarung, keine Rechte geltend zu machen] in Verkehr gebracht werden. (Rn43)

Ein Vorbehalt von Rechten gegenüber Dritten stellt dann lediglich einen untauglichen Versuch dar, die Reichweite der Erschöpfung zu beschränkten. (Rn55)

Das heißt:

[Es] hat die Erschöpfung zur Folge, dass der Patentinhaber seine durch das Patent vermittelten Möglichkeiten zur Einwirkung auf das weitere Schicksal des geschützten Gegenstands verliert. Diese Rechtsfolge kann durch Vertrag nicht im Verhältnis zu Dritten ausgeschlossen werden. (Rn52)

Quelle: Mitteilungen der deutschen Patentanwälte, 114. Jahrgang, 3, März 2023, Seite 131

BGH zur Erschöpfung vs. Neuherstellung bei Verschleißteilen

Interessantes Urteil bzgl. Teilen, in denen sich die technische Wirkung der Erfindung widerspiegelt –> regelmäßig als Neuherstellung einzustufen = kein bestimmungsgemäßer Gebrauch = keine Erschöpfung, denn die Herstellungsbefugnis wird nicht erschöpft. Anders hier, da die Wirkung der Teile (Verschleißbleche) allein darin besteht, zu verschleißen. Diese Wirkung reicht nicht aus, um eine Neuherstellung zu bejahen (Rn. 54)

BGH, Urteil vom 08.11.2022 – X ZR 10/20 (OLG DÜS)

PatG §10 (1), §9 Satz2 Nr. 1 – Scheibenbremse:

a) Damit sich die technischen Wirkungen einer Erfindung in bestimmten Teilen widerspiegeln (und deren Einbau zu einer die Erschöpfungswirkung verdrängenden Neuherstellung führt), müssen diese in besonderer, auf die Erfindung abgestimmter Weise ausgestaltet sein, um die ihnen zukommende Funktion erfüllen zu können, etwa durch eine besondere Formgebung […].

b) Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn die maßgebliche Wirkung der zu beurteilenden Teile allein darin besteht, dass sie verschleißen.

Interessantes zu Tatsachen und der Würdigung eines Sachverständigenvortrages

„Von einer erneuten mündlichen Anhörung des Sachverständigen kann nicht abgesehen werden, wenn das Berufungsgericht dessen Ausführungen abweichend von der Vorinstanz würdigen will […]. Das gilt grundsätzlich auch bei vom Tatrichter in Anspruch genommener eigener Sachkunde (Amtlicher Leitsatz)“. BGH, Urt. vom 19.10.2022 – XII ZR 97/21 – OLG Schleswig

Quelle: Mitteilungen der deutschen Patentanwältem 114. Jahrgang, Februar 2023, S. 99

Interessantes aus Aufsätzen und Rechtsprechung aus den „Mitteilungen der deutschen Patentanwälte“, 114. Jahrgang, Januar 2023

  • Eine Änderung der Patentansprüche vor dem EPA nach einem Prüfungsbescheid erfordert die Konvergenz oder bedarf der Zustimmung durch das EPA. Eine Neuausrichtung der EP-Anmeldung ist somit nur nach Erhalt des EESR möglich oder müsste über eine Teilanmeldung oder GebrM-Abzweigung realisiert werden
  • “Long-arm jurisdiction“ des UPC / “Extended jurisdiction” of the UPC (keine Trennung mehr von Verletzungs- und Bestandsverfahren): Es kann zum sogenannten „blocking effect“ kommen, wenn nämlich bei erklärtem Opt-Out vor Zurücknahme mittels Opt-In ein Verfahren vor einem nationalen Gericht initiiert wurde. Eine Rücknahme des Opt-Outs ist dann nicht mehr möglich. Dies bleibt auch so, wenn das nationale Verfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen worden ist (betroffen sind allerdings nur Verfahren, die erst nach Inkrafttreten des UPCA begonnen wurden oder zu dieser Zeit zumindest noch anhängig sind).
  • ArbEG: Lizenzanalogie: Die Höhe eines Lizenzsatzes, auf den sich vernünftige Parteien geeinigt hätten, ist abhängig von der Stärke des Verbietungsrechts
  • EPA: Der Grundsatz der Merkmalsinterpretation in der breitesten, sinnhaften Art (breitestmöglicher Schutzbereich) erfordert gleichermaßen im Falle negativ formulierter Ausschluss-Merkmale eine Auslegung dieser so eng wie möglich.
  • Mittelbare Patentverletzung EPA: Die „Bestimmung zur patentverletzenden Verwendung“ ist nach dem subjektiven Anwenderwillen zu bestimmen (Angebotsempfänger, subjektives Tatbestandsmerkmal) und nicht nach objektiven Maßstäben. Zusätzlich muss der Dritte/Anbieter Kenntnis von diesem subjektiven Anwenderwillen haben (Vorsatz) oder die Verwendungsbestimmung muss nach den Umständen offensichtlich sein. Die Bestimmung zur Benutzung der Erfindung setzt daher einen entsprechenden Handlungswillen des Angebotsempfängers oder Belieferten (im Zeitpunkt der Vornahme einer mittelbaren Patentverletzung durch den Anbietenden oder Lieferanten) voraus. Der Tatbestand der mittelbaren PV enthält kein absolutes Verbot der Lieferung von Mitteln (die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen), sondern greift nur dann ein, wenn die Mittel nicht nur …geeignet, sondern durch die Angebotsempfänger und/oder Abnehmer hierzu auch bestimmt sind. Dies ist für jedes einzelne Angebot und für jede einzelne Lieferung festzustellen. Aufgrund der schwierigen Darlegbarkeit des Willens des Angebotsempfängers genügt es, wenn das Bestimmtsein auf Grund der Umstände offensichtlich ist, so dass zur Feststellung der Tatbestandsmerkmale auf Erfahrungen des täglichen Lebens zurückgegriffen werden kann. Ob nun der Abnehmer ein privater Abnehmer oder ein gewerblicher Abnehmer ist, spielt bei der Frage der mittelbaren Patentverletzung durch einen Dritten (Anbieter) keine Rolle.

BGH zur Erschöpfung bei Nichtangriffsabreden / „covenant not to sue“

Der BGH urteilt in X ZR 123/20 „CQJ-Bericht“ dahingehend, dass „covenant not to sue“ nicht unmittelbar eine Erschöpfung nach sich ziehen muss.

Denn der Vertrag „kann im Einzelfall […] dahin auszulegen sein, dass der Patentinhaber seine Rechte [gegenüber Dritten] gerade nicht aufgeben will.“

„Lässt eine Vereinbarung aber hinreichend deutlich erkennen, dass der Patentinhaber sich verpflichtet, keine auf das Patent gestützten Einwände gegen das Inverkehrbringen von Erzeugnissen durch seinen Vertragspartner zu erheben, reicht dies in der Regel aus, um eine zur Erschöpfung führende Zustimmung [bzgl. des Inverkehrbringens] zu bejahen. Eine Erklärung dieses Inhalts ist nach dem Verständnis des Senats mit einem covenant not to sue typischerweise verbunden. Ein Vorbehalt von Rechten gegenüber Dritten stellt dann lediglich einen untauglichen Versuch dar, die Reichweite der Erschöpfung zu beschränken.“