EuGH zum SPC bei einer neuen Wirkung einer Wirkstoffkombination

In C-119/22 bzw. C-149/22 „entschied der EuGH, dass der Begriff des Erzeugnisses im Sinne der AM-VO streng und ausschließlich nach der Definition von Art 1b) AM-VO ausgelegt werden muss. Mit anderen Worten, eine Wirkstoffkombination und einer der darin enthaltenen Wirkstoffe verkörpern zwei verschiedene Erzeugnisse, auch könne keine unterschiedliche Definition des Erzeugnisses erfolgen, je nachdem ob sie in Zusammenhang mit Art 3a) MA-VO oder mit Art 3c) MA-VO erfolge.

Somit ist es bei der Frage, ob die Erteilung eines ESZ [SPC] für eine Wirkstoffkombination zulässig sei, bei der Prüfung der Voraussetzungen des…unerheblich, ob der zweite Wirkstoff in dem Grundpatent genannt wird oder nicht. Dies ist ausschließlich bei der Prüfung der Voraussetzungen des Art 3a) AM-VO zu untersuchen.

..kam der EuGH zu dem Ergebnis, …dass es nicht ausreicht, dass ein Erzeugnis in den Ansprüchen des Grundpatents ausdrücklich genannt ist, damit dieses Erzeugnis als durch das Patent im Sinne dieser Bestimmung geschützt angesehen werden kann.

Somit kann die bloße, wenn auch ausdrückliche Erwähnung der Möglichkeit, einen in diesem Patent offenbarten Wirkstoff mit einem anderen allgemein bekannten Wirkstoff zu kombinieren, in einem Anspruch des Grundpatents nicht ausreichen, um diese erste Stufe zu erfüllen. Vielmehr muss in der Beschreibung dieses Patents noch offenbart werden, inwiefern die Kombination dieser beiden Wirkstoffe ein Merkmal ist, das für die Lösung der in diesem Patent offenbarten technischen Aufgabe erforderlich ist.

Offenbart das Grundpatent, dass die Kombination der beiden Wirkstoffe eine kombinierte Wirkung hat, die über die bloße Addition der Wirkungen dieser beiden Wirkstoffe hinausgeht und zur Lösung des technischen Problems beiträgt, so kann daraus geschlossen werden, dass die Kombination dieser beiden Wirkstoffe zwangsläufig unter die von diesem Patent erfasste Erfindung fällt.“

Dies erscheint im Falle einer neuen Wirkung einer Wirkstoffkombination zweckdienlich.

Lebensnahe Entscheidungspraxis des LG Frankfurt/Main zur öffentlichen Zustellung

LG Frankfurt am Main, Beschl. 15.01.25, 2-06 O 426/24, Leitsätze:

1. Die öffentliche Zustellung einer Klage nach §185 Nr. 3 ZPO ist zulässig, wenn die Zustellung m Ausland (hier: China) erfahrungsgemäß unverhältnismäßig lange dauert und dadurch der effektive Rechtsschutz des Klägers gefährdet wäre.

2. Das Interesse des Klägers an einem zeitnahen Rechtsschutz überwiegt in solchen Fällen das Interesse des ausländischen Beklagten am regulären rechtlichen Gehör.

3. Der Kläger wird jedoch dazu verpflichtet, die Beklagte über die öffentliche Zustellung zu informieren.

Bei „KI-Erfindungen“: Vorsicht bei Verwendung potentiell urheberrechtlich geschützter Trainingsdaten

Das Erfordernis der Ausführbarkeit (§34(4) PatG) beim Patent kann zum Problem werden, wenn Trainingsdaten in der Patentanmeldung Verwendung finden, die potentiell urheberrechtlichen Schutz genießen.

Als Rechtfertigung können gesetzliche Schranken oder aber eine Nutzungsrechtseinräumung in Frage kommen. Wir beraten hierzu gern bei Bedarf.

Quelle: Mittteilungen der deutsccen Patentanwälte, Heft 10/2023, Seite 446

KI / Künstliche Intelligenz im Umfeld des gewerblichen Rechtsschutzes

Vielfach wird der Begriff der Künstlichen Intelligenz (KI) noch in verschiedensten Varianten und uneinheitlich verwendet. Relevant sind die folgenden Teilaspekte:

  • Das Künstliche Neuronale Netzwerk (KNN) als, bei stark vereinfachender Betrachtung, „eine Software, die eine Struktur aus künstlichen Neuronen simuliert“ inkl. der weiter unten beschriebenen mathematischen Gewichtungen
    Mit dem KNN sind hauptsächliche zwei Anwendungsfälle zu unterscheiden:

– die Untersuchung großer Mengen verschiedenster Daten auf Korrelationen und Muster

– die Erzeugung von Inhalten mittels sogenannter Generativer KI

  • Die Trainigsdaten als solche – zur Einstellung dieser mathematischen Gewichtungen
  • Der mittels KI generierte Output

„Der Aufbau der KNN ist der Funktionsweise des biologischen Gehirns nachempfunden….Innerhalb des KNN verstärken sich (durch das Training) die für den jeweiligen Anwendungsfall …relevanten Synapsenverbindungen, was durch eine mathematische Gewichtung repräsentiert wird.“

Erst nach dem Training mittels Trainingsdaten und erheblicher Rechenleistung ist das KNN einsatzfähig.

„Die Gewichtungen des KNN verkörpern […]einen ganz erheblichen wirtschaftlichen Wert.“

Welche Schutzrechte kommen in Betracht?

– Für das KNN kann ein Schutz als sogenannte computerimplementierte Erfindung in Betracht kommen, wenn das KNN einen spezifischen technischen Beitrag leistet. Lediglich sekundär dürfte das Halbleiterschutzgesetz von Interesse sein (zum Schutz der Anordnung von Schaltkreisen).

– Urheberrechtsschutz für das KNN dürfte nur schwer zu realisieren sein, da Gestaltungsspielräume hinsichtlich Form und Art der enthaltenen Steuereungsbefehle und des Programmablaufs bestehen müssten und bei der Entwicklung auch ausgenutzt worden sein müssten. „Ob der softwareurheberrechtliche Schutz auch die einzelnen Gewichtungen erfasst, ist noch nicht abschließend geklärt.

– Zur Schutzfähigkeit des Outputs über das Urheberrecht: maßgeblich ist, ob sich in dem Output die schöpferische Individualität des Urhebers niederschlägt. Die KI dürfte nicht bloßes Werkzeug des menschlichen Urhebers sein.

– Effektivsten Schutz für die mathematischen Gewichtungen dürfte das Geschäftsgeheimnisschutzgesezt (GeschGehG) bieten.

Wichtig sind vertragliche Regelungen in Lizenz- bzw. FuE-Verträgen. „So sollte zB der Zugang zu den Programmierschnittstellen nur bei vertraglichem Ausschluss von Reverse Engineering iSd §3(1) Nr. 2 GeschGehG gestattet werden, um die Erlangung der Gewichtungen mittels gezielten Promptings zu unterbinden. Offengelegte Gewichtungen sollten …von entsprechenden Geheimhaltungsklauseln erfasst sein.“.

Denn das wird relevant sein, wenn bspw. KNN während der Nutzung durch den Lizenznehmer mit dessen Daten optimiert wird, oder bei FuE-Kooperationen wenn ein Partner das KNN und der andere Partner die Trainingsdaten beisteuert.

FAZIT:
Erfindungen im Bereich KI sind außerordentlich interessant und oft von großer Wichtigkeit. Sie sind (wie alle Erfindungen) sehr detailliert in der patentanwaltlichen Beratung mit den Erfindern zu besprechen.

Quelle: GRUR-Prax 21/2024, 16. Jahrgang, Seite 668, FLÖTER/CORDES: „KI und geistiges Eigentum: Neuronale Netze. Trainingsdaten und Output“

EuGH zu Kreuzprioritäten (Designrecht) – PVÜ im Lichte des Unionsrechts und TRIPS

„[81] Unter diesen Umständen gestattet Art. 4 der Pariser Verbadnsübereinkunft [PVÜ] es nicht, die Priorität einer früheren Patentanmeldung bei der späteren Anmeldung eines Geschmacksmusters in Anspruch zu nehmen und enthält somit erst recht keine Regeln für die Frist, die dabei für den Anmelder gilt.

Somit kann nur eine internationale Anmeldung eines Gebrauchsmusters gemäß dem PCT zu einem Prioritätsrecht für die Anmeldung eines Geschmacksmusters gemäß Art. 4 führen, und dafür gilt die in dessen Abschnitt E Abs. 1 vorgesehene Frist von sechs Monaten.“

EuGH, Urt. Vom 27. Februar 2024 – C-382/21 P

Quelle: Mitteilungen der deutschen Patentanwälte, 5/Mai 2024, Cal Heymanns Verlag, 115. Jahrgang, Seite 251

Zufällige Ergebnisse als Stand der Technik

EPÜ Art. 54 Abs. 2 – Organoelmaterial

BGH Urt. 30.01.24 – X ZR 15/22 (BpatG), Leitsätze (Hinzufügungen in eckigen Klammern):

a) Die Ausrichtung auf ein bisher nicht bekanntes Ergebnis führt nicht zu einem neuen Verfahren, wenn sich das erstrebte Ergebnis bei der unveränderten Ausführung eines vorbeschriebenen Verfahrens von selbst einstellt (Bestätigung von BGH, Beschl. Vom 17.1.1980 – X ZB 4/79, BGHZ 76, 97 = GRUR 1980, 283, 285 – Terephthalsäure).

b) Die zuletzt genannte Voraussetzung ist [allerdings] nicht erfüllt, wenn sich das angestrebte Ergebnis bei der Nachbearbeitung des bekannten Verfahrens nur zufällig einstellt (Bestätigung von BG, Urt. Vom 14.3.1989, X ZR 30/87).

c) Zufällig in diesem Sinne ist ein Ergebnis auch dann, wenn es sich nur unter bestimmten Rahmenbedingungen einstellt und deren Verwirklichung durch den Stand der Technik weder offenbart noch nahegelegt war.

Quelle: Mitteilungen der deutschen Patentanwälte, 115. Jahrgang, Mai 2024, Carl Heymanns Verlag, Seite 231

„Deep Tech Finder“ für europäische Start-Ups

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Arbeitnehmererfinderrecht: ArbEG §9 – konkrete und abstrakte Lizenzanalogie

DPMA Schiedsstelle, Einigungsvorschlag vom 9. März 2023 – Arb.Erf. 20/21

Leitsätze:

1. Der Erfindungswert einer Eigennutzung einer Diensterfindung wird durch fiktive Nachbildung der marktüblichen Lizenzgebühren abgeschätzt.

2. Dies gelingt in der Regel besonders gut, wenn sich diese Abschätzung an einem tatsächlich abgeschlossenen Lizenzvertrag orientieren kann.

3. Liegt ein solcher vor, ist dieser daraufhin zu analysieren, welche Positionen direkt übernommen werden können und inwieweit die Notwendigkeit zu fiktiven Modifikationen besteht.

4. Sieht der tatsächlich abgeschlossene Lizenzvertrag nur eine erkennbar nicht umsatzbasiert kalkulierte pauschale Einmalzahlung vor, ist es in der Regel nicht möglich, aus diesem Lizenzvertrag Erkenntnisse für die Höhe einer umsatzbasierten Lizenzgebühr zu gewinnen.

Quelle: Mitteilungen der deutschen Patentanwälte, 115. Jahrgang, 4. Ausgabe, April 2024, Carl Haymanns Verlag, Seite 201

05.09.2024 Dr. Frank Däbritz, Patentanwalt