KI / Künstliche Intelligenz im Umfeld des gewerblichen Rechtsschutzes

Vielfach wird der Begriff der Künstlichen Intelligenz (KI) noch in verschiedensten Varianten und uneinheitlich verwendet. Relevant sind die folgenden Teilaspekte:

  • Das Künstliche Neuronale Netzwerk (KNN) als, bei stark vereinfachender Betrachtung, „eine Software, die eine Struktur aus künstlichen Neuronen simuliert“ inkl. der weiter unten beschriebenen mathematischen Gewichtungen
    Mit dem KNN sind hauptsächliche zwei Anwendungsfälle zu unterscheiden:

– die Untersuchung großer Mengen verschiedenster Daten auf Korrelationen und Muster

– die Erzeugung von Inhalten mittels sogenannter Generativer KI

  • Die Trainigsdaten als solche – zur Einstellung dieser mathematischen Gewichtungen
  • Der mittels KI generierte Output

„Der Aufbau der KNN ist der Funktionsweise des biologischen Gehirns nachempfunden….Innerhalb des KNN verstärken sich (durch das Training) die für den jeweiligen Anwendungsfall …relevanten Synapsenverbindungen, was durch eine mathematische Gewichtung repräsentiert wird.“

Erst nach dem Training mittels Trainingsdaten und erheblicher Rechenleistung ist das KNN einsatzfähig.

„Die Gewichtungen des KNN verkörpern […]einen ganz erheblichen wirtschaftlichen Wert.“

Welche Schutzrechte kommen in Betracht?

– Für das KNN kann ein Schutz als sogenannte computerimplementierte Erfindung in Betracht kommen, wenn das KNN einen spezifischen technischen Beitrag leistet. Lediglich sekundär dürfte das Halbleiterschutzgesetz von Interesse sein (zum Schutz der Anordnung von Schaltkreisen).

– Urheberrechtsschutz für das KNN dürfte nur schwer zu realisieren sein, da Gestaltungsspielräume hinsichtlich Form und Art der enthaltenen Steuereungsbefehle und des Programmablaufs bestehen müssten und bei der Entwicklung auch ausgenutzt worden sein müssten. „Ob der softwareurheberrechtliche Schutz auch die einzelnen Gewichtungen erfasst, ist noch nicht abschließend geklärt.

– Zur Schutzfähigkeit des Outputs über das Urheberrecht: maßgeblich ist, ob sich in dem Output die schöpferische Individualität des Urhebers niederschlägt. Die KI dürfte nicht bloßes Werkzeug des menschlichen Urhebers sein.

– Effektivsten Schutz für die mathematischen Gewichtungen dürfte das Geschäftsgeheimnisschutzgesezt (GeschGehG) bieten.

Wichtig sind vertragliche Regelungen in Lizenz- bzw. FuE-Verträgen. „So sollte zB der Zugang zu den Programmierschnittstellen nur bei vertraglichem Ausschluss von Reverse Engineering iSd §3(1) Nr. 2 GeschGehG gestattet werden, um die Erlangung der Gewichtungen mittels gezielten Promptings zu unterbinden. Offengelegte Gewichtungen sollten …von entsprechenden Geheimhaltungsklauseln erfasst sein.“.

Denn das wird relevant sein, wenn bspw. KNN während der Nutzung durch den Lizenznehmer mit dessen Daten optimiert wird, oder bei FuE-Kooperationen wenn ein Partner das KNN und der andere Partner die Trainingsdaten beisteuert.

FAZIT:
Erfindungen im Bereich KI sind außerordentlich interessant und oft von großer Wichtigkeit. Sie sind (wie alle Erfindungen) sehr detailliert in der patentanwaltlichen Beratung mit den Erfindern zu besprechen.

Quelle: GRUR-Prax 21/2024, 16. Jahrgang, Seite 668, FLÖTER/CORDES: „KI und geistiges Eigentum: Neuronale Netze. Trainingsdaten und Output“

EuGH zu Kreuzprioritäten (Designrecht) – PVÜ im Lichte des Unionsrechts und TRIPS

„[81] Unter diesen Umständen gestattet Art. 4 der Pariser Verbadnsübereinkunft [PVÜ] es nicht, die Priorität einer früheren Patentanmeldung bei der späteren Anmeldung eines Geschmacksmusters in Anspruch zu nehmen und enthält somit erst recht keine Regeln für die Frist, die dabei für den Anmelder gilt.

Somit kann nur eine internationale Anmeldung eines Gebrauchsmusters gemäß dem PCT zu einem Prioritätsrecht für die Anmeldung eines Geschmacksmusters gemäß Art. 4 führen, und dafür gilt die in dessen Abschnitt E Abs. 1 vorgesehene Frist von sechs Monaten.“

EuGH, Urt. Vom 27. Februar 2024 – C-382/21 P

Quelle: Mitteilungen der deutschen Patentanwälte, 5/Mai 2024, Cal Heymanns Verlag, 115. Jahrgang, Seite 251

Zufällige Ergebnisse als Stand der Technik

EPÜ Art. 54 Abs. 2 – Organoelmaterial

BGH Urt. 30.01.24 – X ZR 15/22 (BpatG), Leitsätze (Hinzufügungen in eckigen Klammern):

a) Die Ausrichtung auf ein bisher nicht bekanntes Ergebnis führt nicht zu einem neuen Verfahren, wenn sich das erstrebte Ergebnis bei der unveränderten Ausführung eines vorbeschriebenen Verfahrens von selbst einstellt (Bestätigung von BGH, Beschl. Vom 17.1.1980 – X ZB 4/79, BGHZ 76, 97 = GRUR 1980, 283, 285 – Terephthalsäure).

b) Die zuletzt genannte Voraussetzung ist [allerdings] nicht erfüllt, wenn sich das angestrebte Ergebnis bei der Nachbearbeitung des bekannten Verfahrens nur zufällig einstellt (Bestätigung von BG, Urt. Vom 14.3.1989, X ZR 30/87).

c) Zufällig in diesem Sinne ist ein Ergebnis auch dann, wenn es sich nur unter bestimmten Rahmenbedingungen einstellt und deren Verwirklichung durch den Stand der Technik weder offenbart noch nahegelegt war.

Quelle: Mitteilungen der deutschen Patentanwälte, 115. Jahrgang, Mai 2024, Carl Heymanns Verlag, Seite 231

Verwertungsbeschränkung durch Zuwendungsrecht (Arbeitnehmererfindungsrecht)

DPMA Schiedsstelle, Einigungsvorschlag vom 28.11.22 – Arb.Erf. 19/20

Leitsätze

1. Ein Zuwendungsbescheid nach den §§23, 44 BHO kann zwar die unternehmerische Handlungsfreiheit des Zuwendungsempfängers, nicht jedoch das von §16 ArbEG gewährleistete Vermögensrecht des Arbeitnehmers beschränken. Denn nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG werden Inhalt und Schranken des Eigentums ausschließlich durch Gesetz bestimmt.

2. Der Zuwendungsempfänger kann deshalb verpflichtet sein, eine Schutzrechtsposition bis zum Entfall der Beschränkungen aus dem Zuwendungsbescheid aufrecht zu erhalten, wenn er der Auffassung ist, durch eine Freigabe nach §16 ArbEG gegen die Auflagen des Zuwendungsbescheids zu verstoßen und so eine Rückforderung der Zuwendung auszulösen.

Quelle: Mitteilungen der deutschen Patentanwälte, Mai 2024, Carl Heymanns Verlage, Seite 252

„Deep Tech Finder“ für europäische Start-Ups

Testen Sie den kostenlosen „Deep Tech Finder“ des Europäischen Patentamts. Das kostenlose Online-Tool enthält nun die Profile von über 8500 europäischen Start-up-Unternehmen in Dutzenden von Technologiebereichen, von Digitaltechnologien bis zum Gesundheitswesen und von sauberer Energie bis zur Weltraumforschung.

Oder lassen Sie sich als Start-Up aufnehmen.

https://datavisualisation.apps.epo.org/datav/public/dashboard-frontend/host_epoorg.html#/explore?dataSet=1

Arbeitnehmererfinderrecht: ArbEG §9 – konkrete und abstrakte Lizenzanalogie

DPMA Schiedsstelle, Einigungsvorschlag vom 9. März 2023 – Arb.Erf. 20/21

Leitsätze:

1. Der Erfindungswert einer Eigennutzung einer Diensterfindung wird durch fiktive Nachbildung der marktüblichen Lizenzgebühren abgeschätzt.

2. Dies gelingt in der Regel besonders gut, wenn sich diese Abschätzung an einem tatsächlich abgeschlossenen Lizenzvertrag orientieren kann.

3. Liegt ein solcher vor, ist dieser daraufhin zu analysieren, welche Positionen direkt übernommen werden können und inwieweit die Notwendigkeit zu fiktiven Modifikationen besteht.

4. Sieht der tatsächlich abgeschlossene Lizenzvertrag nur eine erkennbar nicht umsatzbasiert kalkulierte pauschale Einmalzahlung vor, ist es in der Regel nicht möglich, aus diesem Lizenzvertrag Erkenntnisse für die Höhe einer umsatzbasierten Lizenzgebühr zu gewinnen.

Quelle: Mitteilungen der deutschen Patentanwälte, 115. Jahrgang, 4. Ausgabe, April 2024, Carl Haymanns Verlag, Seite 201

05.09.2024 Dr. Frank Däbritz, Patentanwalt

Patentverletzung in DE – wenn letzter Verfahrensschritt im Ausland erfolgt – es kommt auf die Verwirklichung des technischen Erfolgs an

LG München, 17.05.23 – 7 O 2693/22

1. Leiztsatz:

„Zur Überzeugung der Kammer liegt eine inländische
Verletzungshandlung weitergehend auch dann vor, wenn zwar der letzte
Verfahrensschritt außerhalb Deutschlands erzielt wird, die Vorteile des
patentgemäßen Verfahrens aufgrund von im Inland ausgeführten und nicht
unwesentlichen Verfahrensschritten ihre Wirkung im Inland entfalten.“

Quelle: Mitteilungen der deutschen Patentanwälte, 4. Ausgabe, April 2024, Seite 188

20.08.24 Dr. Frank Däbritz, Patentanwalt

Der KMU-Fonds für kleine und mittlere Unternehmen in der EU – auch für Selbstständige und Einzelunternehmer

Das Förderprogramm „Ideas Powered for business“ (KMU-Fonds) der EU wird gewährt in Form von GUTSCHEINEN („Voucher“), mit denen Tätigkeiten im Zusammenhang mit geistigem Eigentum (Vorabdiagnose von Rechten des geistigen Eigentums, Marken- und Designschutz innerhalb und außerhalb der EU) und patentbezogene Tätigkeiten kofinanziert werden.

Es handelt sich bereits um die vierte Auflage seit 2021.

Anträge können bis zum 06.12.2024 eingereicht werden. Erfahrungsgemäß sind die Fördermittel jedoch deutlich früher ausgeschöpft. 2023 wurde das Zeitfenster bereits am 10.11.23 geschlossen. Es lohnt sich, schnell zu sein.

Für Patente ist allerdings auch das Förderprogramm „WIPANO“ passgenau und sehr beliebt. Bei Fragen hierzu sprechen Sie uns gern an.

KMU: Unternehmen mit <250 Mitarbeitern und Umsatz max 50 Mio EUR oder Jahresbilanzsumme max 43 Mio. EUR. Dazu zählen meist auch Selbstständige und Einzelunternehmer. Die offizielle Definition des KMU ist der Website der Europäischen Kommission zu entnehmen.

Genauer: beim KMU-Fonds gibt es die folgenden 4 Gutscheine:

Gutschein 1: IP Scan:
– Vorabdiagnose von Rechten des geistigen Eigentums
– Vorabdiagnose des Geschäftsmodells, der Produkte und/oder Services

Gutschein 2: Marken- und Designschutz

-Erstattung von 75% der Amtsgebühren
-Bis zu 50% für außereuropäische Anmeldungen bei der WIPO
-Insgesamt bis zu 1000 € für die Anmeldung von Marken und Designs

Gutschein 3: Patente

– bis zu 75% der Kosten, max 15000 € erstattet werden Gebühren für:

-DPMA-Recherche zum Stand der Technik
-Amtsgebühren für nationale Patente (Anmelde-, Recherche-, Prüfungs-, Erteilungs-, Lizenz- und Veröffentlichungsgebühren)
-Amtsgebühren für europäische Patentanmeldungen (Anmelde- und Recherchegebühr vom EPA); nicht PCT

– Rechtskosten für die Ausarbeitung einer europäischen Patentanmeldung zu 50%, max 2000 EUR.

In Summe sind für Gutschein 4 somit bis zu 3500 EUR pro KMU abrufbar.

Gutschein 4: Sortenschutzrechte

– 75% max 1500 EUR der Online-Anmelde- und Prüfungsgebühren  beim Gemeinschaftlichen Sortenamt (CPV)

Nach Antragstellung entscheidet das EUIPO innerhalb von höchstens 15 Arbeitstagen über den Antrag.

Wir empfehlen, die Förderung über den KMU-Fonds, oder für Patente/Gebrauchsmuster über das WIPANO-Förderprogramm wahrzunehmen.

Kostenvergleich Einheitspatent (EPeW) und EP-Patent (EP)

„Die derzeitige Struktur der Jahresgebühren, die das EPA für das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung [EPeW, Einheitspatent] festgelegt hat, soll den Kosten für die Aufrechterhaltung der Validierung europäischer Patente“ in DE, UK, FR und NL „entsprechen – den vier EU-Ländern, in denen (vor dem Aistritt des Vereinigten Königreichs) europäische Patente am häufigsten von Patentanmeldern validiert wurden.“

„In den ersten zehn Jahren belaufen sich die Kosten für die Verlängerung eines Europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung [EPeW] auf insgesamt 4.685 EUR, während die Aufrechterhaltung des Patents über die gesamte Laufzeit von 20 Jahren 35.555 EUR beträgt. Im Vergleich dazu würden sich die gesamten Verlängerungsgebühren, die in den am Europäischen Patent mit einheitlicher Wirkung [EPeW] teilnehmenden Ländern […im Juni 2015 waren es 25] zu zahlen sind, für die gesamten 20 Jahre auf fast 160.000 EUR summieren.

Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Jahresgebühren um 15% gesenkt werden können, wenn der Inhaber des EPeW eine Erklärung einreicht, in der er erklärt, dass das Patent lizensierbar ist.“

Dennoch müssen oft trotz EPeW oft weitere Staaten klassisch national validiert werden, beispielsweise Spanien, Polen und Kroatien, was den Kostenvorteil umkehren könnte, insbesondere, falls das Schutzrecht nicht über die ganzen 20 Jahre aufrecht erhalten werden soll.

„Ausweislich der Statistiken für Validierungen klassischer Europäischer Patente validieren die meisten Anmelder in DE, FR und GB. Das dürfte regelmäßig sogar deutlich geringere Gebühren verursachen, als das EPeW, insbesondere auch weil GB nicht mehr vom EPeW umfasst ist und daher ohnehin auch weiterhin eigenständig Gebühren verursacht.“

…Zu den Gerichtsgebühren in einem späteren Eintrag…

Quelle: Mitteilungen der deutschen Patentanwälte, 114. Jahrgang, Heft 6, Juni 2023, S. 253 ff.