Arbeitnehmererfinderrecht: ArbEG §9 – konkrete und abstrakte Lizenzanalogie

DPMA Schiedsstelle, Einigungsvorschlag vom 9. März 2023 – Arb.Erf. 20/21

Leitsätze:

1. Der Erfindungswert einer Eigennutzung einer Diensterfindung wird durch fiktive Nachbildung der marktüblichen Lizenzgebühren abgeschätzt.

2. Dies gelingt in der Regel besonders gut, wenn sich diese Abschätzung an einem tatsächlich abgeschlossenen Lizenzvertrag orientieren kann.

3. Liegt ein solcher vor, ist dieser daraufhin zu analysieren, welche Positionen direkt übernommen werden können und inwieweit die Notwendigkeit zu fiktiven Modifikationen besteht.

4. Sieht der tatsächlich abgeschlossene Lizenzvertrag nur eine erkennbar nicht umsatzbasiert kalkulierte pauschale Einmalzahlung vor, ist es in der Regel nicht möglich, aus diesem Lizenzvertrag Erkenntnisse für die Höhe einer umsatzbasierten Lizenzgebühr zu gewinnen.

Quelle: Mitteilungen der deutschen Patentanwälte, 115. Jahrgang, 4. Ausgabe, April 2024, Carl Haymanns Verlag, Seite 201

05.09.2024 Dr. Frank Däbritz, Patentanwalt

Patentverletzung in DE – wenn letzter Verfahrensschritt im Ausland erfolgt – es kommt auf die Verwirklichung des technischen Erfolgs an

LG München, 17.05.23 – 7 O 2693/22

1. Leiztsatz:

„Zur Überzeugung der Kammer liegt eine inländische
Verletzungshandlung weitergehend auch dann vor, wenn zwar der letzte
Verfahrensschritt außerhalb Deutschlands erzielt wird, die Vorteile des
patentgemäßen Verfahrens aufgrund von im Inland ausgeführten und nicht
unwesentlichen Verfahrensschritten ihre Wirkung im Inland entfalten.“

Quelle: Mitteilungen der deutschen Patentanwälte, 4. Ausgabe, April 2024, Seite 188

20.08.24 Dr. Frank Däbritz, Patentanwalt

Der KMU-Fonds für kleine und mittlere Unternehmen in der EU – auch für Selbstständige und Einzelunternehmer

Das Förderprogramm „Ideas Powered for business“ (KMU-Fonds) der EU wird gewährt in Form von GUTSCHEINEN („Voucher“), mit denen Tätigkeiten im Zusammenhang mit geistigem Eigentum (Vorabdiagnose von Rechten des geistigen Eigentums, Marken- und Designschutz innerhalb und außerhalb der EU) und patentbezogene Tätigkeiten kofinanziert werden.

Es handelt sich bereits um die vierte Auflage seit 2021.

Anträge können bis zum 06.12.2024 eingereicht werden. Erfahrungsgemäß sind die Fördermittel jedoch deutlich früher ausgeschöpft. 2023 wurde das Zeitfenster bereits am 10.11.23 geschlossen. Es lohnt sich, schnell zu sein.

Für Patente ist allerdings auch das Förderprogramm „WIPANO“ passgenau und sehr beliebt. Bei Fragen hierzu sprechen Sie uns gern an.

KMU: Unternehmen mit <250 Mitarbeitern und Umsatz max 50 Mio EUR oder Jahresbilanzsumme max 43 Mio. EUR. Dazu zählen meist auch Selbstständige und Einzelunternehmer. Die offizielle Definition des KMU ist der Website der Europäischen Kommission zu entnehmen.

Genauer: beim KMU-Fonds gibt es die folgenden 4 Gutscheine:

Gutschein 1: IP Scan:
– Vorabdiagnose von Rechten des geistigen Eigentums
– Vorabdiagnose des Geschäftsmodells, der Produkte und/oder Services

Gutschein 2: Marken- und Designschutz

-Erstattung von 75% der Amtsgebühren
-Bis zu 50% für außereuropäische Anmeldungen bei der WIPO
-Insgesamt bis zu 1000 € für die Anmeldung von Marken und Designs

Gutschein 3: Patente

– bis zu 75% der Kosten, max 15000 € erstattet werden Gebühren für:

-DPMA-Recherche zum Stand der Technik
-Amtsgebühren für nationale Patente (Anmelde-, Recherche-, Prüfungs-, Erteilungs-, Lizenz- und Veröffentlichungsgebühren)
-Amtsgebühren für europäische Patentanmeldungen (Anmelde- und Recherchegebühr vom EPA); nicht PCT

– Rechtskosten für die Ausarbeitung einer europäischen Patentanmeldung zu 50%, max 2000 EUR.

In Summe sind für Gutschein 4 somit bis zu 3500 EUR pro KMU abrufbar.

Gutschein 4: Sortenschutzrechte

– 75% max 1500 EUR der Online-Anmelde- und Prüfungsgebühren  beim Gemeinschaftlichen Sortenamt (CPV)

Nach Antragstellung entscheidet das EUIPO innerhalb von höchstens 15 Arbeitstagen über den Antrag.

Wir empfehlen, die Förderung über den KMU-Fonds, oder für Patente/Gebrauchsmuster über das WIPANO-Förderprogramm wahrzunehmen.

Kostenvergleich Einheitspatent (EPeW) und EP-Patent (EP)

„Die derzeitige Struktur der Jahresgebühren, die das EPA für das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung [EPeW, Einheitspatent] festgelegt hat, soll den Kosten für die Aufrechterhaltung der Validierung europäischer Patente“ in DE, UK, FR und NL „entsprechen – den vier EU-Ländern, in denen (vor dem Aistritt des Vereinigten Königreichs) europäische Patente am häufigsten von Patentanmeldern validiert wurden.“

„In den ersten zehn Jahren belaufen sich die Kosten für die Verlängerung eines Europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung [EPeW] auf insgesamt 4.685 EUR, während die Aufrechterhaltung des Patents über die gesamte Laufzeit von 20 Jahren 35.555 EUR beträgt. Im Vergleich dazu würden sich die gesamten Verlängerungsgebühren, die in den am Europäischen Patent mit einheitlicher Wirkung [EPeW] teilnehmenden Ländern […im Juni 2015 waren es 25] zu zahlen sind, für die gesamten 20 Jahre auf fast 160.000 EUR summieren.

Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Jahresgebühren um 15% gesenkt werden können, wenn der Inhaber des EPeW eine Erklärung einreicht, in der er erklärt, dass das Patent lizensierbar ist.“

Dennoch müssen oft trotz EPeW oft weitere Staaten klassisch national validiert werden, beispielsweise Spanien, Polen und Kroatien, was den Kostenvorteil umkehren könnte, insbesondere, falls das Schutzrecht nicht über die ganzen 20 Jahre aufrecht erhalten werden soll.

„Ausweislich der Statistiken für Validierungen klassischer Europäischer Patente validieren die meisten Anmelder in DE, FR und GB. Das dürfte regelmäßig sogar deutlich geringere Gebühren verursachen, als das EPeW, insbesondere auch weil GB nicht mehr vom EPeW umfasst ist und daher ohnehin auch weiterhin eigenständig Gebühren verursacht.“

…Zu den Gerichtsgebühren in einem späteren Eintrag…

Quelle: Mitteilungen der deutschen Patentanwälte, 114. Jahrgang, Heft 6, Juni 2023, S. 253 ff.

Strenge Anforderungen an die Einfügung erst in 2. Instanz recherchierten Stands der Technik in das Berufungsverfahren

BGH, Urt 15.07.2021 – X ZR 60/19 (BPatG)

Zwei Grundsätze aus der Entscheidung:

Rn 97: Nach der Rechtsprechung des Senats darf eine Entgegenhaltung, auf die der Kläger erst in zweiter Instanz aufmerksam geworden ist, gemäß… nur dann berücksichtigt werden, wenn der Kläger darlegt und erforderlichenfalls glaubhaft macht, warum eine Recherche, die das Dokument zutage gefördert hätte, in erster Instanz (noch) nicht veranlasst war. Hierzu muss der Kläger konkret dartun, wie er das Suchprofil seiner erstinstanzlichen Recherche angelegt und warum er ein solches Profil gewählt hat und nicht dasjenige, das zur Ermittlung des in zweiter Instanz neu angeführten Stands der Technik geführt hat.

Rn 102: Darzulegen ist, warum eine Recherche auch bei sorgfältiger Prozessführung in erster Instanz (noch) nicht veranlasst war.

Quelle: Mitteilungen der deutschen Patentanwälte, Heft 5/2023, Seite 225

LG München: strenger Maßstab bei der Erschöpfung im Markenrecht

LG MÜN, 24.11.2022, 33 O 4349/22

Leitsatz:
„Eine Erschöpfung scheidet aus, wenn die vom Verletzer verwendete Bezeichnung derart abgewandelt wird, dass sie nicht mehr der Form des Inverkehrbringens durch den Markeninhaber entspricht. Die Wirkung der Erschöpfung beschränkt sich auf das konkrete Zeichen in der Form, in welcher es von dem Markeninhaber beim Inverkehrbringen verwendet wurde. Selbst geringfügige Änderungen des Zeichens sind daher unzulässig.“

Quelle: CIPReport, 01/2023, Seite 14, Zentrum für Gewerblichen Rechtsschutz Düsseldorf.

BGH zum (Nichtigkeits-)Klagehindernis nach abgeschlossenem rechtskräftigen Einspruch

BGH, 06.12.22, X ZR 47/22 – Aminopyridin

„2. Das Klagehindernis [§81(2)S1 PatG] fällt weg, wenn das Europäische Patentamt entschieden hat, dass das Patent mit einer geänderten Fassung seiner Ansprüche aufrechterhalten wird, und diese Entscheidung nicht mehr angefochten werden kann.

3. In dieser Konstellation ist eine Nichtigkeitsklage nur noch insoweit zulässig, als sie darauf gerichtet ist, den Rechtsbestand des Patents in weitergehendem Umfang zu beseitigen, als dies nach der bindenden Entscheidung des Europäischen Patentamts zu erwarten ist. „

Quelle CIPRepost 1/2023, Seite 15, Leitsätze der Entscheidung

BGH zur Erschöpfung bei „convenant not to sue“

BGH 24.01.23 – X ZR 123/20 – OLG Karlsruhe:
Lizenz vs. convenant not to sue:

Bei Erzeugnissen, die durch Dritte in Verkehr gebracht werden, setzt der Eintritt der Erschöpfungswirkung nicht zwingend voraus, dass dem Dritten eine wirksame Lizenz erteilt worden ist. […] (Rn46)
Deshalb haben Beschränkungen, die ein Patentinhaber in einem Lizenzvertrag hinsichtlich der Befugnis zur Benutzung von Erzeugnissen vereinbart, die aufgrund der Lizenz in Verkehr gebracht werden, grundsätzlich keinen Einfluss auf den Eintritt der Erschöpfungswirkung. (Rn47)

[Es] führt ein convenant not to sue in der Regel zur Erschöpfung der Rechte im Hinblick auf Erzeugnisse, die auf dieser Grundlage [Vereinbarung, keine Rechte geltend zu machen] in Verkehr gebracht werden. (Rn43)

Ein Vorbehalt von Rechten gegenüber Dritten stellt dann lediglich einen untauglichen Versuch dar, die Reichweite der Erschöpfung zu beschränkten. (Rn55)

Das heißt:

[Es] hat die Erschöpfung zur Folge, dass der Patentinhaber seine durch das Patent vermittelten Möglichkeiten zur Einwirkung auf das weitere Schicksal des geschützten Gegenstands verliert. Diese Rechtsfolge kann durch Vertrag nicht im Verhältnis zu Dritten ausgeschlossen werden. (Rn52)

Quelle: Mitteilungen der deutschen Patentanwälte, 114. Jahrgang, 3, März 2023, Seite 131