Der KMU-Fonds für kleine und mittlere Unternehmen in der EU – auch für Selbstständige und Einzelunternehmer

Das Förderprogramm „Ideas Powered for business“ (KMU-Fonds) der EU wird gewährt in Form von GUTSCHEINEN („Voucher“), mit denen Tätigkeiten im Zusammenhang mit geistigem Eigentum (Vorabdiagnose von Rechten des geistigen Eigentums, Marken- und Designschutz innerhalb und außerhalb der EU) und patentbezogene Tätigkeiten kofinanziert werden.

Es handelt sich bereits um die vierte Auflage seit 2021.

Anträge können bis zum 06.12.2024 eingereicht werden. Erfahrungsgemäß sind die Fördermittel jedoch deutlich früher ausgeschöpft. 2023 wurde das Zeitfenster bereits am 10.11.23 geschlossen. Es lohnt sich, schnell zu sein.

Für Patente ist allerdings auch das Förderprogramm „WIPANO“ passgenau und sehr beliebt. Bei Fragen hierzu sprechen Sie uns gern an.

KMU: Unternehmen mit <250 Mitarbeitern und Umsatz max 50 Mio EUR oder Jahresbilanzsumme max 43 Mio. EUR. Dazu zählen meist auch Selbstständige und Einzelunternehmer. Die offizielle Definition des KMU ist der Website der Europäischen Kommission zu entnehmen.

Genauer: beim KMU-Fonds gibt es die folgenden 4 Gutscheine:

Gutschein 1: IP Scan:
– Vorabdiagnose von Rechten des geistigen Eigentums
– Vorabdiagnose des Geschäftsmodells, der Produkte und/oder Services

Gutschein 2: Marken- und Designschutz

-Erstattung von 75% der Amtsgebühren
-Bis zu 50% für außereuropäische Anmeldungen bei der WIPO
-Insgesamt bis zu 1000 € für die Anmeldung von Marken und Designs

Gutschein 3: Patente

– bis zu 75% der Kosten, max 15000 € erstattet werden Gebühren für:

-DPMA-Recherche zum Stand der Technik
-Amtsgebühren für nationale Patente (Anmelde-, Recherche-, Prüfungs-, Erteilungs-, Lizenz- und Veröffentlichungsgebühren)
-Amtsgebühren für europäische Patentanmeldungen (Anmelde- und Recherchegebühr vom EPA); nicht PCT

– Rechtskosten für die Ausarbeitung einer europäischen Patentanmeldung zu 50%, max 2000 EUR.

In Summe sind für Gutschein 4 somit bis zu 3500 EUR pro KMU abrufbar.

Gutschein 4: Sortenschutzrechte

– 75% max 1500 EUR der Online-Anmelde- und Prüfungsgebühren  beim Gemeinschaftlichen Sortenamt (CPV)

Nach Antragstellung entscheidet das EUIPO innerhalb von höchstens 15 Arbeitstagen über den Antrag.

Wir empfehlen, die Förderung über den KMU-Fonds, oder für Patente/Gebrauchsmuster über das WIPANO-Förderprogramm wahrzunehmen.

Kostenvergleich Einheitspatent (EPeW) und EP-Patent (EP)

„Die derzeitige Struktur der Jahresgebühren, die das EPA für das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung [EPeW, Einheitspatent] festgelegt hat, soll den Kosten für die Aufrechterhaltung der Validierung europäischer Patente“ in DE, UK, FR und NL „entsprechen – den vier EU-Ländern, in denen (vor dem Aistritt des Vereinigten Königreichs) europäische Patente am häufigsten von Patentanmeldern validiert wurden.“

„In den ersten zehn Jahren belaufen sich die Kosten für die Verlängerung eines Europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung [EPeW] auf insgesamt 4.685 EUR, während die Aufrechterhaltung des Patents über die gesamte Laufzeit von 20 Jahren 35.555 EUR beträgt. Im Vergleich dazu würden sich die gesamten Verlängerungsgebühren, die in den am Europäischen Patent mit einheitlicher Wirkung [EPeW] teilnehmenden Ländern […im Juni 2015 waren es 25] zu zahlen sind, für die gesamten 20 Jahre auf fast 160.000 EUR summieren.

Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Jahresgebühren um 15% gesenkt werden können, wenn der Inhaber des EPeW eine Erklärung einreicht, in der er erklärt, dass das Patent lizensierbar ist.“

Dennoch müssen oft trotz EPeW oft weitere Staaten klassisch national validiert werden, beispielsweise Spanien, Polen und Kroatien, was den Kostenvorteil umkehren könnte, insbesondere, falls das Schutzrecht nicht über die ganzen 20 Jahre aufrecht erhalten werden soll.

„Ausweislich der Statistiken für Validierungen klassischer Europäischer Patente validieren die meisten Anmelder in DE, FR und GB. Das dürfte regelmäßig sogar deutlich geringere Gebühren verursachen, als das EPeW, insbesondere auch weil GB nicht mehr vom EPeW umfasst ist und daher ohnehin auch weiterhin eigenständig Gebühren verursacht.“

…Zu den Gerichtsgebühren in einem späteren Eintrag…

Quelle: Mitteilungen der deutschen Patentanwälte, 114. Jahrgang, Heft 6, Juni 2023, S. 253 ff.

Strenge Anforderungen an die Einfügung erst in 2. Instanz recherchierten Stands der Technik in das Berufungsverfahren

BGH, Urt 15.07.2021 – X ZR 60/19 (BPatG)

Zwei Grundsätze aus der Entscheidung:

Rn 97: Nach der Rechtsprechung des Senats darf eine Entgegenhaltung, auf die der Kläger erst in zweiter Instanz aufmerksam geworden ist, gemäß… nur dann berücksichtigt werden, wenn der Kläger darlegt und erforderlichenfalls glaubhaft macht, warum eine Recherche, die das Dokument zutage gefördert hätte, in erster Instanz (noch) nicht veranlasst war. Hierzu muss der Kläger konkret dartun, wie er das Suchprofil seiner erstinstanzlichen Recherche angelegt und warum er ein solches Profil gewählt hat und nicht dasjenige, das zur Ermittlung des in zweiter Instanz neu angeführten Stands der Technik geführt hat.

Rn 102: Darzulegen ist, warum eine Recherche auch bei sorgfältiger Prozessführung in erster Instanz (noch) nicht veranlasst war.

Quelle: Mitteilungen der deutschen Patentanwälte, Heft 5/2023, Seite 225

BGH zum (Nichtigkeits-)Klagehindernis nach abgeschlossenem rechtskräftigen Einspruch

BGH, 06.12.22, X ZR 47/22 – Aminopyridin

„2. Das Klagehindernis [§81(2)S1 PatG] fällt weg, wenn das Europäische Patentamt entschieden hat, dass das Patent mit einer geänderten Fassung seiner Ansprüche aufrechterhalten wird, und diese Entscheidung nicht mehr angefochten werden kann.

3. In dieser Konstellation ist eine Nichtigkeitsklage nur noch insoweit zulässig, als sie darauf gerichtet ist, den Rechtsbestand des Patents in weitergehendem Umfang zu beseitigen, als dies nach der bindenden Entscheidung des Europäischen Patentamts zu erwarten ist. „

Quelle CIPRepost 1/2023, Seite 15, Leitsätze der Entscheidung

BGH zur Erschöpfung bei „convenant not to sue“

BGH 24.01.23 – X ZR 123/20 – OLG Karlsruhe:
Lizenz vs. convenant not to sue:

Bei Erzeugnissen, die durch Dritte in Verkehr gebracht werden, setzt der Eintritt der Erschöpfungswirkung nicht zwingend voraus, dass dem Dritten eine wirksame Lizenz erteilt worden ist. […] (Rn46)
Deshalb haben Beschränkungen, die ein Patentinhaber in einem Lizenzvertrag hinsichtlich der Befugnis zur Benutzung von Erzeugnissen vereinbart, die aufgrund der Lizenz in Verkehr gebracht werden, grundsätzlich keinen Einfluss auf den Eintritt der Erschöpfungswirkung. (Rn47)

[Es] führt ein convenant not to sue in der Regel zur Erschöpfung der Rechte im Hinblick auf Erzeugnisse, die auf dieser Grundlage [Vereinbarung, keine Rechte geltend zu machen] in Verkehr gebracht werden. (Rn43)

Ein Vorbehalt von Rechten gegenüber Dritten stellt dann lediglich einen untauglichen Versuch dar, die Reichweite der Erschöpfung zu beschränkten. (Rn55)

Das heißt:

[Es] hat die Erschöpfung zur Folge, dass der Patentinhaber seine durch das Patent vermittelten Möglichkeiten zur Einwirkung auf das weitere Schicksal des geschützten Gegenstands verliert. Diese Rechtsfolge kann durch Vertrag nicht im Verhältnis zu Dritten ausgeschlossen werden. (Rn52)

Quelle: Mitteilungen der deutschen Patentanwälte, 114. Jahrgang, 3, März 2023, Seite 131

BGH zur Erschöpfung vs. Neuherstellung bei Verschleißteilen

Interessantes Urteil bzgl. Teilen, in denen sich die technische Wirkung der Erfindung widerspiegelt –> regelmäßig als Neuherstellung einzustufen = kein bestimmungsgemäßer Gebrauch = keine Erschöpfung, denn die Herstellungsbefugnis wird nicht erschöpft. Anders hier, da die Wirkung der Teile (Verschleißbleche) allein darin besteht, zu verschleißen. Diese Wirkung reicht nicht aus, um eine Neuherstellung zu bejahen (Rn. 54)

BGH, Urteil vom 08.11.2022 – X ZR 10/20 (OLG DÜS)

PatG §10 (1), §9 Satz2 Nr. 1 – Scheibenbremse:

a) Damit sich die technischen Wirkungen einer Erfindung in bestimmten Teilen widerspiegeln (und deren Einbau zu einer die Erschöpfungswirkung verdrängenden Neuherstellung führt), müssen diese in besonderer, auf die Erfindung abgestimmter Weise ausgestaltet sein, um die ihnen zukommende Funktion erfüllen zu können, etwa durch eine besondere Formgebung […].

b) Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn die maßgebliche Wirkung der zu beurteilenden Teile allein darin besteht, dass sie verschleißen.

Interessantes zu Tatsachen und der Würdigung eines Sachverständigenvortrages

„Von einer erneuten mündlichen Anhörung des Sachverständigen kann nicht abgesehen werden, wenn das Berufungsgericht dessen Ausführungen abweichend von der Vorinstanz würdigen will […]. Das gilt grundsätzlich auch bei vom Tatrichter in Anspruch genommener eigener Sachkunde (Amtlicher Leitsatz)“. BGH, Urt. vom 19.10.2022 – XII ZR 97/21 – OLG Schleswig

Quelle: Mitteilungen der deutschen Patentanwältem 114. Jahrgang, Februar 2023, S. 99